EINE ZEIT DER MACHT UND DER GEFAHR
Während des Scramble for Africa (nein, keine Eierspeise, sondern der koloniale Wettlauf um Afrika) versuchten viele europäische Länder, so viel wie möglich von Afrika zu kontrollieren. Darunter Großbritannien. Um eine direkte Verbindung zu dem fruchtbaren Land am Viktoriasee zu haben, begannen die Briten 1896 mit dem Bau einer Eisenbahnlinie zwischen der Küstenstadt Mombasa und Kampala. Diese Verbindung mit Uganda gab ihnen die Möglichkeit, Soldaten und Waren zu transportieren und ihre Kontrolle über den Viktoriasee – die Quelle des Nils – zu sichern. Da es im damals dünn besiedelten Kenia an einheimischen Arbeitskräften mangelte, wurden 32.000 Inder für den Bau dieses gewaltigen Projekts eingesetzt. Eine ganze Völkerwanderung für eine Eisenbahnlinie, verrückt!

Während des Baus erhielt die Eisenbahn bald den Spitznamen ‘Lunatic Express’: Die Arbeiter mussten die Schienen für den Zug in Kenia über Berge, durch Täler und Sümpfe verlegen, umgeben von lebensbedrohlichen Tieren, die auf sie lauerten. Dazu kommt noch eine kräftige Dosis Tropenkrankheiten – und schon ist das Elend perfekt! So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass während dieses Wahnsinns (der fünf Jahre andauerte) fast 2.500 Menschen durch Unfälle, Krankheiten, aggressive Masai-Krieger und Angriffe von wilden Tieren starben.
DIE BERÜCHTIGTEN MENSCHENFRESSENDEN LÖWEN VON TSAVO
Schreckensszenen auf dem Lande! Während der neunmonatigen Bauarbeiten wurden die Bauarbeiter in der Umgebung von Tsavo von zwei männlichen Löwen heimgesucht. Indische Arbeiter wurden nachts aus ihren Zelten gezerrt und mit Haut und Haaren aufgefressen. Das Lager wurde bald im Volksmund als “die menschliche Metzgerei” bezeichnet… düster! Nachdem Berichten zufolge bereits 135 Arbeiter auf grausame Weise ermordet worden waren, gelang es dem Projektleiter Colonel Patterson schließlich, die beiden Löwen zu erschießen.
Zur Deutlichkeit: Menschen gehören normalerweise nicht zum Speiseplan eines Löwen. Es gibt daher mehrere Theorien, die erklären, warum diese blutrünstigen Kreaturen die Arbeiter angriffen. Einige glauben, dass Menschen aufgrund der nahe gelegenen Sklavenroute zu den Lieblingsnahrungsmitteln der Löwen gehörten. Hier waren tote, kranke oder verletzte Sklaven schon lange eine leichte Beute. Andere führen das Problem auf den entzündeten Zahn eines der Löwen zurück: Menschen waren leichter zu verschlingen als seine normale Beute. Nicht gerade beruhigend…

DAS ENDE: IM APRIL 2017 ENDET DIE GESCHICHTE DES LUNACTIC EXPRESS FÜR DIE ZUGPASSAGIERE.
WIE STEHT ES JETZT UM DIE ZÜGE IN KENIA?
Nachdem die Bauarbeiten abgeschlossen waren, kehrten die meisten Inder in ihre Heimat zurück, aber etwa 6.700 Mensem entschieden sich, in Kenia zu bleiben. Sie bildeten eine indisch-afrikanische Gemeinschaft. Dies spiegelt sich in der Küche des Landes wider: Hallo Samosas und Chapatis! Nachdem sie jahrzehntelang Menschen und Güter transportiert hatte, wurde die Uganda-Bahn nach der Unabhängigkeit Kenias 1963 vernachlässigt. Trotz schlechter Schienen und extrem unzuverlässiger Fahrzeiten war dieser Zug ein beliebtes Verkehrsmittel bei Touristen in Kenia. Sie empfanden die Unsicherheit der Reise als authentisch kenianischen Charme! Im Jahr 2016 brauchten Personenzüge einen ganzen Tag (24 Stunden, eine neue Definition von “in Ruhe”) für die Fahrt von Nairobi nach Mombasa, eine Reise, die in den 1980er Jahren “nur” 12 Stunden dauerte. Auch im Güterverkehr war ein starker Rückgang zu verzeichnen.
Das Ende: Im April 2017 endet die Geschichte des Lunatic Express für Bahnreisende. Trotz ihres eher traurigen Endes wird die Eisenbahn immer noch als eine der größten architektonischen Leistungen Kenias des vergangenen Jahrhunderts angesehen. Jeder Quadratzentimeter wurde mit Blut, Schweiß und Tränen gebaut (und leider auch mit einigen Toten…). Darüber hinaus sehen die Kenianer die Eisenbahn als einen wichtigen Teil ihrer nationalen Geschichte an, da sie zur Entstehung ihrer Hauptstadt Nairobi beigetragen hat.

Neugierig auf Kenia?
DIE GEBURT EINER METROPOLE
Nairobi gehört noch nicht zu den Oldies. Tatsächlich war es im späten 19. Jahrhundert kaum mehr als ein kaltes und nasses Versorgungslager für Eisenbahnarbeiter. Nairobi liegt hoch oben (1.700 Meter über dem Meeresspiegel) und war ursprünglich ein sumpfiges Gebiet. Die Masai nannten diesen Ort “enkare nyarobi”, was “kühles Wasser” bedeutet. Nicht der erste Ort, an den du bei einer Hauptstadt denkst, oder? Dennoch entwickelte sich der Ort zum Hauptquartier der Eisenbahn und so wählte das britische Protektorat 1907 Nairobi zu seiner Hauptstadt. Seitdem hat die Stadt ein rasantes Wachstum erlebt, das sich auf das ganze Land ausgewirkt hat. Der Protektoratskommissar traf den Nagel auf den Kopf, als er sagte: “Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Land eine Eisenbahn gründet, aber es ist ungewöhnlich, dass eine Eisenbahn ein Land gründet.”

Dieses Stück Geschichte ist nicht unbemerkt geblieben: Hollywood witterte hier einen kommerziellen Erfolg! In dem Film ‘Der Geist und die Dunkelheit’ (1996) nimmt es Michael Douglas mit diesem Paar aggressiver Horror-Löwen auf. Spannung, Nervenkitzel und ein schönes Drama: eine gute Empfehlung für deinen nächsten Filmabend.
DER VERKEHRSDSCHUNGEL ZWISCHEN MOMBASA UND NAIROBI
Wie die Überschrift dieses Absatzes vermuten lässt, ist der Highway zwischen Mombasa und Nairobi wirklich ein Fest. Kenianer, die sich für eine Art Michael Schumacher halten, machen die Sache nicht weniger chaotisch, und die nächtlichen Busse voller Touristen sind auch nicht ideal… Leider kannst du nicht mehr mit der Uganda-Bahn fahren, aber kannst sie immer noch von der brandneuen Strecke aus sehen, die die Chinesen bauten. Dies sollte eine schnellere und bessere Bahnverbindung sein, parallel zur alten britischen Eisenbahn. Die Strecke zwischen Mombasa und Nairobi ist bereits fertiggestellt. Du fährst durch abwechslungsreiche Landschaften und durchquerst den Tsavo-Nationalpark. Nette kleine Löwenbeobachtung auf dem Weg und ich hoffe, dass kein zweiter Cousin der menschenfressenden Löwen in der Nähe lauert! Eines ist sicher: diese Zugfahrt ist ein sehr colles Erlebnis und eine nachhaltige Alternative zur Schnellstrasse.
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